Richtungsweisend: Dresdner Max-Planck-Forscher zeigen, wie Golgin-Proteine die Transporter im Golgi-Apparat lenken
In den modernen Briefzentren Deutschlands jagen täglich 72 Millionen Sendungen durch die Sortiermaschinen. Lastwagenweise werden diese Unmengen an Papier eingesammelt, identifiziert, sortiert, transportiert und verteilt – und am nächsten Tag landet aus dieser scheinbar undurchschaubaren Papierflut jeder einzelne Brief im richtigen Briefkasten. Absender und Adressat bestimmen zweifelsfrei Richtung und Ziel der Postsendung. Ähnlich komplex und effizient funktionieren auch die Transportvorgänge innerhalb des Golgi-Apparates, einer funktionellen Einheit der Zelle, die die Aufgabe einer Verteilerstelle im Stoffwechsel hat. Forschern des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden ist es nun gelungen, die molekularen Adressaten im Postversand der Zelle ausfindig zu machen: Mit der eingehenden Untersuchung von Proteinen der Golgin-Familie konnten sie Subpopulationen der so genannten COPI-Vesikel isolieren und deren Transportrichtung bestimmen. Die Arbeit trägt maßgeblich zum Verständnis gerichteter Transportvorgänge innerhalb der Zelle bei (Science, 18. Februar 2005).
Der Golgi-Apparat ist ein Zellorganell, ein Membran umschlossener Teilbereich der Zelle (Kompartiment), das meist in der Nähe des Kerns zu finden ist und quasi aus Membranstapeln besteht. In diesem Reaktionsraum werden zum einen die vom endoplasmatischen Retikulum abgesonderten Produkte stufenweise chemisch abgewandelt, andererseits wird eine Vielzahl anderer Moleküle zu den verschiedensten Bereichen in der Zelle gelenkt. Im Prinzip ist der Golgi-Apparat vergleichbar mit einer Verteilerstelle, die die Post – in diesem Fall bestimmte Moleküle – mit Boten in die einzelnen Haushalte schickt. Als Postboten fungieren dabei winzige Membranbläschen, von den Forschern Vesikel genannt, die ihre Fracht aufnehmen, sich ablösen und auf den Weg machen.
Um zu gewährleisten, dass sie den richtigen Weg einschlagen und bei der Verteilung in verschiedene Richtungen kein Chaos eintritt, muss freilich der Transport innerhalb des Golgi-Apparates genauestens koordiniert sein. Als Postboten oder Paketwagen dienen hier so genannte COPI-Vesikel. Sie übernehmen sowohl den internen Golgi-Transport als auch den Transport zurück zum endoplasmatischen Retikulum. Unklar war bisher allerdings, wie diese Transportrichtungen bestimmt und gelenkt werden.
Um diese Frage zu beantworten, nahmen die Dresdner Max-Planck-Forscher zwei molekulare Kandidaten ins Visier: die Proteine p115 und CASP. Sie gehören zur Familie der Golgine und spielen vermutlich eine Rolle als Rezeptoren, also als Andockstellen für die COPI-Vesikel am Golgi-Apparat. Sind diese Andockstellen genauso spezifisch wie Name und Adresse eines Postempfängers und damit eindeutig vom Postzusteller zu identifizieren? Landen in diesem „Briefkasten“ nur bestimmte „Briefe“? Die Wissenschaftler ersannen ein entsprechendes Testverfahren: Sie koppelten die Proteine jeweils separat an eine Glasoberfläche, in diesem Fall an Objektträger, und konnten auf diese Weise mit jedem der beiden Proteine Subpopulationen von Vesikeln quasi herausfischen, die sich hinsichtlich ihrer zu befördernden Fracht klar voneinander unterschieden. Darüber hinaus konnten die Forscher beweisen, dass eine der identifizierten Subpopulationen das rückläufige Recycling von Enzymen aus dem Golgi-Apparat vermittelt.
Viele wichtige Funktionen von Zellen, angefangen von der Aufrechterhaltung der spezifischen Zusammensetzung von Membrankompartimenten bis hin zur Reizübertragung durch Nervenzellen werden durch zielgerichteten vesikulären Transport vermittelt. Ein Verständnis der zugrunde liegenden Mechanismen ist daher in der Zellbiologie von herausragender Bedeutung.
Originalveröffentlichung:
Jörg Malsam, Ayano Satoh, Laurence Pelletier, Graham Warren
Golgin Tethers Define Subpopulations of COPI Vesicles
Science, 18 February 2005
Weitere Informationen:
http://www.mpg.de/bilderBerichteDokumente/dokumentation/pressemitteilungen/2005/pressemitteilung20050218/
Florian Frisch
Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik