Struktur von synaptischen Vesikeln beschrieben

Jahrzehnte intensiver Forschung lassen jetzt den molekularen Aufbau von kleinsten Organellen in der Zelle erkennen

Mit quantitativen Analysen unter anderem der Proteindichte von synaptischen Vesikeln hat jetzt eine internationale Forschungsgruppe deren molekulare Struktur erforscht. In einer langen Serie von Experimenten haben 22 Wissenschaftler um Reinhard Jahn am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie über viele Jahre hinweg Daten gesammelt und analysiert.
Die Ergebnisse, die jetzt in der Fachzeitschrift „Cell“ veröffentlich wurden, geben einen Einblick in den Aufbau dieser kleinen, aber sehr wichtigen Bauteile von biologischen Zellen. (Cell, 16. November 2006)

Quelle: R. Jahn, MPI biophysik. Chemie Teilschnitt durch ein synaptisches Vesikel. Die Membranhülle (gelb-grün) ist von vielen verschiedenen Proteinkomplexen durchsetzt. Im Inneren ist der Neurotransmitter Glutamat gespeichert (rot). © R. Jahn, MPI für biophysikalische Chemie
Quelle: R. Jahn, MPI biophysik. Chemie
Teilschnitt durch ein synaptisches Vesikel. Die Membranhülle (gelb-grün) ist von vielen verschiedenen Proteinkomplexen durchsetzt. Im Inneren ist der Neurotransmitter Glutamat gespeichert (rot). © R. Jahn, MPI für biophysikalische Chemie

(mpi/ehj.vt) – Wenn Nervenzellen miteinander kommunizieren und Signale weiterleiten, geschieht dies über kleinste Schaltstellen, die sog. Synapsen. Dabei werden durch die Signale in der einen Zelle Botenstoffe („Neurotransmitter“) freigesetzt, die in der nachgeschalteten Zelle erneut ein Signal auslösen können. Durch die Aufschaltung verschiedener Signale und die Kombination von erregenden oder hemmenden Neurotransmittern werden die Signale an jeder Schaltstelle verstärkt oder abgeschwächt, und diese „Verarbeitung“ in vielen Schritten bildet die Grundlage für die enormen komplexen Leistungen unseres Gehirns.

Quelle: R. Jahn, MPI für biophysikalische Chemie Molekulares Modell eines synaptischen Vesikels, von außen betrachtet. Die Darstellung basiert auf atomaren Raummodellen aller Makromoleküle, wobei die Lipidmembran gelb-grün, die Proteine in anderen Farben dargestellt sind. Die großen blauen Komplexe stellen das für das Füllen der Vesikel notwendige Energie liefernde System (eine ATPase) dar. Die häufig auf dem Vesikel anzutreffenden langgestreckten Strukturen (hier rot gezeichnet) entsprechen dem SNARE Protein "Synaptobrevin". Es verbindet sich mit Partnern auf der Zellmembran und ermöglicht so die Fusion der Vesikelmembran mit der Zellmembran und damit die Freisetzung von Neurotransmittern in den synaptischen Spalt. (Bild: R. Jahn, MPI für biophysikalische Chemie)
Quelle: R. Jahn, MPI für biophysikalische Chemie
Molekulares Modell eines synaptischen Vesikels, von außen betrachtet. Die Darstellung basiert auf atomaren Raummodellen aller Makromoleküle, wobei die Lipidmembran gelb-grün, die Proteine in anderen Farben dargestellt sind. Die großen blauen Komplexe stellen das für das Füllen der Vesikel notwendige Energie liefernde System (eine ATPase) dar. Die häufig auf dem Vesikel anzutreffenden langgestreckten Strukturen (hier rot gezeichnet) entsprechen dem SNARE Protein „Synaptobrevin“. Es verbindet sich mit Partnern auf der Zellmembran und ermöglicht so die Fusion der Vesikelmembran mit der Zellmembran und damit die Freisetzung von Neurotransmittern in den synaptischen Spalt. (Bild: R. Jahn, MPI für biophysikalische Chemie)

Obwohl das Prinzip der synaptischen Signalübertragung seit Jahrzehnten bekannt ist, sind die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen bis heute noch nicht vollständig aufgeklärt. Die Neurotransmitter sind in kleinen Vorratsbehältern („Vesikeln“) in der Zelle gespeichert, die sich bei Bedarf mit der Zellwand verbinden und nach außen hin öffnen und entleeren. Zahl und Verfügbarkeit der Vesikel sind für die Schaltprozesse von entscheidender Bedeutung, genauso wie die Schnelligkeit, mit der die Vesikel ihren Inhalt freigeben. Wie das im einzelnen geschieht, ist nicht bekannt, aber man hat in den letzten Jahren entscheidende molekulare Schritte in diesem Ablaufs identifiziert. Eine besondere Rolle spielen dabei sog. „SNARE“-Proteine, die dafür sorgen, dass sich die Vesikel an die Zellwand anlagern, dass sich Vesikelhülle und Zellhülle verbinden und sich schließlich auch nach außen hin öffnen.

Alle diese Schritte sind nicht direkt sichtbar; die beteiligten Strukturen sind zu klein, als dass man sie mit herkömmlichen Lichtmikroskopen betrachten könnte. Um trotzdem Licht in das Dunkel zu bringen, hat Prof. Reinhard Jahn seit vielen Jahren die quantitative Analyse der molekularen Bestandteile von Vesikeln vorangetrieben, um daraus Rückschlüsse auf deren Aufbau ziehen zu können. Das ist jetzt gelungen; die jahrzehntelange Geduld hat sich ausgezahlt. Aus vielen verschiedenen Untersuchungen mit über 20 beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern weltweit ergibt sich jetzt ein Bild, wie Vesikel aufgebaut sind, welche Proteine in welcher Menge auf ihrer Oberfläche gelagert sind und wie sich die SNARE-Proteine dazwischen verteilen.

Das Ergebnis ist faszinierend. Dies sei das erste atomare Modell einer zellulären Struktur (Organelle) überhaupt, betont Prof. Thomas C. Südhof von der University of Texas. Überraschend war vor allem die unerwartet hohe Dichte von Proteinen auf der Vesikel-Oberfläche. „Bisher hat man sich Membranen als glatte Lipid-Doppelschichten vorgestellt, in denen Proteine umherschwimmen wie Eisberge im Meer,“ kommentiert Reinhard Jahn seine Befunde. „Tatsächlich ist aber ein Viertel der Membran von Bereichen mit Vesikelproteinen ausgefüllt, die durch die Membran hindurchreichen. Und die Oberfläche ist nahezu vollständig mit Proteinen bedeckt.“ Das sind nicht nur SNARE-Proteine, die in großer Zahl vorkommen, sondern auch viele Varianten mit ganz anderen Funktionen und möglichen Aufgaben. Die Experimente haben neue Fragen aufgeworfen, die Prof. Jahn jetzt angehen will. Eine davon ist: Wie unterscheiden sich Vesikel mit verschiedenen, erregenden oder hemmenden Neurotransmittern? Der Erfolg der bisherigen Messungen lässt hoffen, dass auch diese Fragen irgendwann einmal beantwortet werden können – spätestens in weiteren 15 Jahren.