Neues Gen für erbliche Rachitis gefunden

Seltener Gendefekt führt zu Phosphatverlust und zu weichen Knochen

(pte/ehj.vt)  München – Wissenschaftler des Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit GSF http://www.gsf.de haben Gene identifiziert, die zu einer erblichen Form von Rachitis aufgrund von Phosphatmangel führen. Die Mutationen befinden sich, so berichtet das Forscherteam um den Humangenetiker Tim Strom in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature Genetics http://www.nature.com, auf Chromosom 4, das für die Produktion des Dentin-Matrix-Proteins verantwortlich ist.

„Dieses Protein findet sich vor allem in der mineralisierten Knochenmatrix“, so Bettina Lorenz-Depiereux, Studien Co-Autorin, im pressetext-Interview. „Wenn das Gen mutiert ist, kommt es zu einer Hypophosphatämie, einer erblichen Stoffwechselkrankheit, bei der das Phosphat durch die Nieren verloren geht und somit für den Knochenaufbau fehlt“, erklärt die Forscherin. Diese Art der Rachitis als monogene Erbkrankheit trete sehr selten auf. Insgesamt sind nur fünf Familien bisher bekannt geworden, bei deren Kindern diese Form der Rachitis aufgetreten sei. „Wir sind bereits seit einiger Zeit den Gendefekten auf der Spur, die zu dieser Krankheit führen. Dabei hat es sich gezeigt, dass nicht nur Mutationen in einem, sondern in verschiedenen Genen zu diesem Krankheitsbild führen“, erklärt die Forscherin.

„Die Mutationen im Gen für das Dentin-Matrix-Protein wurden entdeckt, weil die Untersuchung der Krankheitsgeschichte einer betroffenen Familie einen autosomal-rezessiven Erbgang nahe legte, während die bisher bekannten Gendefekte autosomal-dominant bzw. X-chromosomal vererbt werden.“ Das bedeutet, dass die Eltern nur Überträger und selbst nicht betroffen sind. „Das Protein interessiert uns allerdings sehr, da es bereits zuvor in anderen Untersuchungen in Erscheinung getreten ist“, erklärt Lorenz- Depiereux. Nun sei es von großer Bedeutung herauszufinden, was dieses Protein in der Zelle und auch außerhalb der Zelle macht. Der gesamte Regulationsprozess mit den Partner davor und danach sei unklar.

„Da Mutationen in mehreren Genen zu einer Hypophosphatämie führen, vermuten wir, dass es einen Stoffwechselweg gibt, der für das Gleichgewicht im Phosphatstoffwechsel notwendig ist und in den alle Mutationen eingreifen“, so Strom. Die weitere Erforschung dieser Mutationen lässt die Hoffnung zu, diesen Stoffwechselweg ausfindig zu machen. „Erst wenn die molekularen Abläufe bekannt sind, können eventuell neue Therapiewege aufgedeckt werden.“

„Seit die Vitamin D-Mangelrachitis bei Kindern aufgrund der heute üblichen Vitamin-D-Prophylaxe nur noch selten auftritt, wird etwa die Hälfte aller beobachteten Rachitisfälle durch eine Hypophosphatämie verursacht“, meint Strom. Für die Knochenfestigkeit spielen zwei Substanzen, nämlich Kalzium und Phosphate, eine Rolle. Wenn nicht genug Phosphat für den Knochenaufbau zur Verfügung steht, kommt es bei Kindern zu Knochenverbiegungen, typischerweise zu O- bzw. X-Beinen, wie sie auch bei einer Vitamin-D-Mangelrachitis auftreten. Rachitis wurde im 19. Jahrhundert auch als „Englische Krankheit“ bezeichnet und trat in Europa nach den Weltkriegen bedingt durch die Mangelernährung wieder verstärkt auf. Sie ist auch heute noch in den armen Ländern der Welt stark verbreitet. Die Grundlagen für die Heilung dieser Krankheit wurden erst Anfang des 20. Jahrhunderts in England geschaffen – nämlich mit der Gabe von Lebertran.