Hörtest-Untersuchung bei Neugeborenen als Präventivmaßnahme

Fachleute fordern strengere Qualitätsanforderungen

(pte/ehj.vt) Köln – Obwohl Hörstörungen bei Kindern zwar größtenteils behandelt werden können, dauert es dennoch oftmals mehrere Monate bis zur letztendlichen Erkennung und einer damit verbundenen Diagnose angeborener Schwerhörigkeit oder Taubheit. Aus diesem Grund beratschlagen Experten und Fachleute seit längerer Zeit über eine bei Neugeborenen in den ersten Tagen durchzuführende Hörtest-Untersuchung. Wissenschaftler des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) http://www.iqwig.de haben die Effizienz-orientierten, vorläufigen Ergebnisse eines solchen so genannten „Universellen Neugeborenen-Hörscreenings“ heute, Mittwoch, in einem Vorbericht publiziert.

Almut Hirst-Stadlmann von der klinischen Abteilung für Hör-, Stimm- und Sprachstörungen der Universität Innsbruck weist im Gespräch mit pressetext darauf hin, dass beispielsweise in Tirol ein generelles Screening mittels einer Messung des peripheren Hörvermögens bei Neugeboren durchgeführt wird. Sie führt aus, dass bei der Untersuchung „kein Risiko besteht, da nur ein winziger und schonender Stöpsel eingeführt wird.“ Für Hirst-Stadlmann ist das Hauptanliegen des Screenings darin zu sehen, bei frühzeitiger Erkennung angeborener Hörbeeinträchtigungen trotzdem eine sehr gute Sprachentwicklung und damit normale Sozialisation zu ermöglichen sowie effektive Behandlungsmethoden nach eindeutiger Diagnostizierung darauf aufbauend einzuleiten.

Der Nutzen eines Früherkennungsprogramms wird im wissenschaftlichen Bereich jedoch teils stark unterschiedlich beurteilt. In diesem Sinne kommen die IQWiG-Wissenschaftler auch nicht flächendeckend zu gleichen Schlussfolgerungen über die Effizienz dieser Maßnahme für Kinder mit angeborenen Hörstörungen, so dass noch kein abschließendes Urteil gefällt wurde. Der Vorbericht weist jedoch aus, dass angeborene Hörstörungen durchschnittlich früher erkannt werden können. Vor allem im Kontext einer besseren Sprachentwicklung bei betroffenen Kindern ist dies von entscheidender Bedeutung: „Nur wenn ein Kind gut hört, kann es auch sprechen lernen“, sagt Uta Nennstiel-Ratzel vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit http://www.lgl.bayern.de.

Kritisiert wird generell der Mangel an zuverlässigen Studien, die detailliert Aufschluss über die weitere Entwicklung des Kindes nach frühzeitiger Diagnose einer Hörstörung geben. Insbesondere fehlt es in diesem Zusammenhang an Forschungsergebnissen im Bereich der späteren schulischen und sozialen Langzeitprognose. Die endgültige Entscheidung über das Für und Wider von Hörscreenings lässt sich bislang auf noch keine eindeutige und damit sichere wissenschaftliche Grundlage stellen. Das IQWiG fordert neben einem umfassenden organisatorischen und medizinischen Konzept, dass auffällige Kinder nachuntersucht und diagnostizierte Kinder eine zeitnahe und an strengen Qualitätsanforderungen und -kontrollen gelegene Direktversorgung erhalten. Dies erscheint sinnvoll vor dem Hintergrund nicht fehlerfrei arbeitender Testverfahren, wobei noch immer falsche Befunde vorkommen können.

Da die Ergebnisse vorläufig sind, nimmt das IQWiG zu seinem bisherigen Bericht noch weitere Stellungnahmen entgegen. Dies hat den Sinn, fachlich fundierte Einwände und Diskussionsbeiträge bis zum 31. Oktober 2006 in einen Abschlussbericht einfließen zu lassen. Der Auftraggeber mit Sitz im deutschen Siegburg, der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) http://www.g-ba.de, hat als Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten, Krankenkassen und Krankenhäusern die Aufgabe, zu konkretisieren, welche ambulanten oder stationären medizinischen Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind. Somit kann eine inhaltliche Anpassung an den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung vorgenommen werden. Deshalb ist der G-BA auch auf die Expertise des IQWiG angewiesen, um seine Entscheidungen auf dieser Basis treffen zu können.