Nervenzellen im Rückenmark verstärken Schmerzempfindung
(pte/he.vt) Wien – Forscher um Jürgen Sandkühler vom Zentrum für Hirnforschung der Medizinischen Universität Wien http://www.univie.ac.at/brainresearch haben nachgewiesen, dass auch schwache Schmerzreize, wie sie etwa bei Entzündungen oder Nervenverletzungen typisch sind, chronisch werden können. Wie die Forscher zunächst an Nervenzellen in vitro und dann an narkotisierten Ratten zeigen konnten, sind bestimmte schmerzverarbeitende Zellen im Rückenmark für die Verstärkung der Schmerzempfindung verantwortlich. Um diesen Sensibilisierungsprozessen vorzubeugen, sei eine bessere Schmerzprävention notwendig, betonte Sandkühler gestern, Sonntag, auf dem Forum of European Neuroscience Societies in Wien http://fens2006.neurosciences.asso.fr.
Bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass nur starke Schmerzreize eine verstärkte Sensibilität verursachen können. Mittels elektrischer Stimulierung der Schmerzfasern von Ratten konnte das Forscherteam nun erstmals belegen, dass bestimmte Nervenzellen die eintreffenden Signale auch bei fünfzigmal niedrigeren Schmerzimpulsen verstärken und sehr lange anhaltend weiterleiten. Diese Zellen befinden sich in einer speziellen Schicht im Hinterhorn des Rückenmarks, wo die elektrischen Signale peripherer Schmerzfasern auf die zum Gehirn leitenden Nervenbahnen übertragen werden – die so genannte Lamina I.
„Üblicherweise normalisiert sich die Schmerzempfindlichkeit nach einiger Zeit wieder“, erklärt Sandkühler auf Nachfrage von pressetext. „Bei manchen Patienten bleibt der Schmerzverstärkermechanismus jedoch langfristig eingeschaltet.“ Eine Mögliche Ursache sei, dass die körpereigene Schmerzabwehr nicht bei allen Menschen gleich gut funktioniert: In den Nervenzellen der Betroffenen wird auch nach schwachen Schmerzreizen Kalzium freigesetzt, und zwar aus ganz verschiedenen Quellen. Dieser erhöhte Kalzium-Pegel, der normalerweise nur mit starken Schmerzreizen einhergeht, sorgt dafür, dass die schwachen Impulse verstärkt auf andere Nervenzellen übertragen und ins Gehirn weitergeleitet werden.
„Diese Erkenntnisse zeigen, dass es nicht ausreicht, Patienten ausschließlich während und kurz nach einer Operation mit Schmerzmitteln zu versehen“, erklärt Sandkühler gegenüber pressetext. Stattdessen müsse die Schmerztherapie so lange nach einer Operation fortgeführt werden, bis der Schmerz weitgehend abgenommen hat. „Darüber hinaus ist es wichtig, dass in der Schmerzbehandlung keine Lücken entstehen und dass die Betroffenen kontinuierlich, ausreichend lange und wirksam therapiert werden“, so Sandkühler abschließend.