Fresszellen, so genannte Makrophagen, sind effektive Waffen unseres Immunsystems, die eingedrungene Erreger verschlingen und verdauen. Manche Bakterien können diese Abwehr aber unterlaufen und sich sogar in Fresszellen vermehren. Zellbiologen der Universität Bonn haben in einer soeben in der Zeitschrift „Traffic“ (Band 6, Heft 8, August 2005, Seiten 635-653) erschienenen Arbeit gezeigt, mit welchen Tricks die Mikroben arbeiten. Ihr Ergebnis: Die Erreger verhindern unter anderem, dass die Erreger in den „Magen“ der Makrophagen gelangen, der ihnen Schaden zufügen könnte.
(idw/he.vt) – Alarm in der Pferdelunge! Gerade ist ein Bakterium mit der Atemluft in die Bronchien gesaugt worden, und schon rückt die Immunabwehr an, um den Eindringling unschädlich zu machen. Angelockt von bakterientypischen Substanzen, welche die Mikrobe wie ein Wolke umgeben, finden die „Makrophagen“ genannten Fresszellen ihren Weg. Sobald sie den Eindringling aufgespürt haben, stülpen sie einen Teil ihrer eigenen Zellmembran wie eine Kapuze über das Bakterium, wodurch ein Membransack entsteht, in dem der Erreger eingeschlossen ist. Dieses „Phagosom“ (von griechisch „phagein“ = fressen) schnürt sich ins Innere des Makrophagen ab und ist nun der Ort, auf den sich das ganze Waffenarsenal der Fresszelle konzentriert: Das Phagosom wird mit Sauerstoffradikalen und Säure geflutet. Andere Membransäckchen, die Lysosomen, verschmelzen mit dem Phagosom und konfrontieren die Mikrobe mit hochreaktiven Verdauungsenzymen. Wenige Stunden nach den ersten Alarmzeichen ist von dem Bakterium nichts mehr zu sehen, die potenzielle Gefahr ist gebannt.
Vermehrung im Killer
Soweit der Normalfall. Eine ganze Reihe von Krankheitserregern hat sich aber darauf spezialisiert, genau diesen Teil der Abwehr auszutricksen und es sich ausgerechnet in jenen Makrophagen gemütlich zu machen, die eigentlich dazu da sind, sie zu töten.
Einer dieser Erreger ist Rhodococcus equi. Dieses Bakterium kann in jungen Fohlen eine Lungenerkrankung auslösen, die der menschlichen Tuberkulose sehr ähnlich ist. So ist es auch nicht allzu überraschend, dass Rhodococcus equi mit dem Tuberkelbazillus (Mycobacterium tuberculosis) eng verwandt ist. Da Makrophagen das Hauptziel von Rhodococcus in der Pferdelunge sind, findet man dort während einer Infektion viele Rhodokokken.
Im Bonner Institut für Zellbiologie haben Eugenia Fernandez und Marco Polidori in der Arbeitsgruppe von Professor Dr. Albert Haas untersucht, warum Rhodococcus equi in Makrophagen nicht getötet und verdaut wird, sondern sich dort sogar vermehren kann. Dabei konnte die Gruppe zeigen, dass die Rhodokokken nach der Aufnahme durch den Makrophagen eine Art Bremsklotz einlegen und die Verschmelzung der sie umgebenden Membranhülle mit den Lysosomen verhindern. Dadurch sind die Bakterien gar nicht erst den vielen Verdauungsenzymen ausgesetzt. Außerdem können die Bakterien auch die Ansäuerung ihres Phagosoms verhindern.
Manipulative Mikroben
„Insgesamt heißt das, dass die Rhodokokken ihre Wirtszelle manipulieren, es sich so in einer Säure- und Verdauungsenzym-losen Umgebung bequem machen und sich dort vermehren“, so Professor Haas. Innerhalb weniger Tage nach Beginn der Infektion sterben die Makrophagen an der Infektion: Sie fallen auseinander und entlassen die vervielfachten Erreger.
Die Bonner Zellbiologen haben bereits vorher zeigen können, dass dieser Zelltod „nekrotisch“ ist. Das bedeutet, dass Zellbestandteile austreten und damit weitere Immunzellen anlocken und aktivieren. Letztlich kommt es zur Entzündung und Gewebeschädigung. „Es könnte sein, dass Rhodokokken das gar nicht so ungern haben“, meint Professor Haas, „denn dann können sie sich gleich einen vorbeikommenden frischen Makrophagen schnappen und sich darin wieder einnisten.“
Als nächstes wollen die Bonner Zellbiologen der Frage nachgehen, welche bakteriellen Eigenschaften dafür wichtig sind, die Verschmelzung von Phagosom und Lysosom zu verhindern, und wie das Immunsystem trotz aller bakteriellen Tricks normalerweise eine Infektion niederkämpft.
Rhodokokken können allerdings auch in AIDS-Patienten Tuberkulose-artige Erkrankungen verursachen und zum Tod führen. „Das ist ebenfalls ein Aspekt, der für unsere Arbeit wichtig ist“, betont Haas. „Wir gehen davon aus, dass unsere Forschungen dazu beitragen können, die Tuberkulose beim Menschen besser zu verstehen.“ Anders als Fohlen brauchen sich jedoch die allermeisten Menschen vor dem Erreger nicht zu fürchten. „In jeder Schaufel Erde einer betroffenen Pferdefarm finden sich Abermillionen Rhodokokken, und trotzdem kommt es fast nie vor, dass einigermaßen gesunde Menschen daran erkranken.“
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Albert Haas
Institut für Zellbiologie der Universität Bonn
Telefon: 0228/73-63 40
E-Mail: albert.haas@uni-bonn.de