Blick in die kognitiven Strukturen unserer Urahnen

Raumgedächtnis-Präferenzen der fünf großen Menschenaffenarten

Quelle: Knut Finstermeier/MPI (Foto: Knut Finstermeier/MPI für evolutionäre Anthropologie)
Quelle: Knut Finstermeier/MPI
(Foto: Knut Finstermeier/MPI für evolutionäre Anthropologie)

(pte/hb.vt)  Leipzig/Nijmegen – Einem Wissenschaftsteam des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig http://www.eva.mpg.de sowie des Max-Planck-Instituts für Psycholinguistik im niederländischen Nijmegen http://www.mpi.nl ist es gelungen, einen Blick in die kognitiven Strukturen unserer bereits vor 15 Mio. Jahren ausgestorbenen evolutionären Vorfahren zu werfen. Die Forscher verglichen dazu die fünf großen Menschenaffenarten – Orang-Utan, Gorilla, Bonobo, Schimpanse und Mensch – in ihren Vorlieben für bestimmte kognitive Strategien, um versteckte Gegenstände wieder zu finden.

„Wenn alle existierenden Arten mit gemeinsamen Vorfahren unabhängig voneinander dieselben Vorlieben vorweisen, dann weist das darauf hin, dass diese höchstwahrscheinlich Teil ihres evolutionären Erbes sind“, erläutert Forscher Daniel Haun im Gespräch mit pressetext. Die Forscher entdeckten, dass alle fünf Arten tatsächlich dieselbe Strategie bevorzugten, aber dass der Mensch seine Raumgedächtnispräferenz schon sehr früh in seinem Leben ändert. Die Studienergebnisse wurden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Current Biology http://www.current-biology.com veröffentlicht.

Um sich an die Lokalisation eines Objektes zu erinnern, stehen zwei grundsätzlichen Strategien zur Verfügung: Entweder merkt man sich die Eigenschaften oder die räumliche Platzierung des Objektes. Bei Experimenten stellte sich heraus, dass die bisher getesteten Tiere zwar beide Strategien anwenden, dass sie sich bei einer gezwungenen Wahl jedoch ganz unterschiedlich entscheiden. So bevorzugen beispielsweise Fische, Ratten und Hunde Strategien, die sich auf den Standort beziehen, während etwa Kröten, Hühner und Menschenkinder eine Vorliebe für solche, die sich der Objekteigenschaften bedienen, vorweisen.

Um diese Präferenzen systematisch zu untersuchen, versteckten die Forscher im Wolfgang Koehler Primatenforschungszentrum im Zoo Leipzig http://www.zoo-leipzig.de nun auf zwei verschiedene Weisen begehrte Gegenstände. In der so genannten „place conditition“ war der Gegenstand zwar am selben Ort zu finden, an dem er vorher versteckt wurde, aber unter einem anderen Objekt. Bei der „feature condition“ dagegen blieb dieses Objekt unverändert, aber der Ort wechselte. Die Forscher entdeckten, dass sowohl die vier Menschenaffenarten als auch einjährige Kleinkinder sich am Ort orientieren, sogar wenn das Versteckte unter einem völlig anderen Objekt verborgen ist. Weitere Untersuchungen ergaben jedoch, dass dreijährige Probanden – in Gegensatz zu den jüngeren Kindern – die Objekteigenschaften hingegen als verlässlichsten Hinweis ansehen. Offenbar führt die weitere kognitive Entwicklung beim Menschen zu einer neuen Gewichtung seiner Präferenzen.

„Meiner Ansicht nach ist das wichtigste Ergebnis dieser Studie, dass sich alle Menschenaffen, inklusive dem Menschen, in einigen kognitiven Strukturen völlig gleichen“, erklärt Haun im Gespräch mit pressetext. Eine weitere bedeutende Erkenntnis sei, dass Kinder bereits vor dem dritten Lebensjahr beginnen eine Strategie bevorzuzugen, die in Widerspruch zur evolutionär vererbten Strategie steht. „Wir möchten in künftigen Studien nun aufdecken, welche Teile der kognitiven Entwicklung im Menschen für diese Restrukturierung kognitiver Präferenzen verantwortlich sind“, so Haun. Dieser neue methodische Ansatz und die daraus gewonnen Ergebnisse ebnen nun den Weg zu einer systematischen Erforschung der kognitiven Strukturen unserer evolutionären Vorfahren und darauf basierend zu einem besseren Verständnis über die Ursprünge menschlichen Denkens.